Das Bürgertum hatte Ende des 19. Jahrhunderts einen Universalbegriff gefunden, mit dem sie alles Tun und Unterlassen regulieren konnte: „Es schickt sich nicht für …“ Obwohl in einigen Fällen auch Männer aus dem „bürgerlichen Stand“ angesprochen wurden, waren es vor allem Mädchen und Frauen, die mit diesem Satz konfrontiert wurden.
Ein Satiriker schrieb (in der „Gartenlaube“, 1887) :
So manches junge Mädchen aus den „besseren Ständen“ arbeitet am Stickrahmen bis spät in die Nacht hinein, um ein kleines Taschengeld zur Befriedigung der hochgeschraubten Wünsche der Tyrannin „Mode“ zu erringen. Aber Niemand aus der Gesellschaft, der sie angehört, darf von dieser heimlichen Arbeit etwas ahnen – „es schickt sich nicht.“
Das an bürgerlichen Werten orientierte Lexikon „Meyers “ sagt etwa zur gleichen Zeit aus:
Schicklich ist, was sich schickt … d. h. den gegebenen Verhältnissen, insbesondere den eben herrschenden Anstands- und Sitten-, aber auch Geschmacks- und Kunstregeln, gemäß ist, und daher mit dem unbedingt, d. h. unter allen Umständen und zu allen Zeiten (in Kunst und Sitte), Gebotenen keineswegs eins sein muß, aber auch mit diesem nicht in direktem Widerstreit sich befinden darf.
Meyers definiert das „schicklich sein“ also als eine Zeiterscheinung, die in andere Regelwerke (Ethik, wünschenswerte Eigenschaften) passen kann, aber nicht unbedingt passen muss. Lediglich der Konflikt zwischen anderen Grundsätzen und der Schicklichkeit wurde als unerwünscht hervorgehoben.
Der Begriff, dass sich etwas für jemanden nicht schickt, heißt auf die heutige Zeit übersetzt: „Du entsprichst nicht den Erwartungen, die eine Gruppe von Menschen an dich stellt.“