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Das 19. Jahrhundert ging gerade zur Neige, als der deutsche Arzt und Psychotherapeut Albert von Schrenk-Notzing den Lustschmerz oder die Schmerzlust als „Algolagnie“ bezeichnete, der den zuvor bereits verwendeten Begriff „Algophilie“ (Algophilia) ersetzte. Doch inzwischen trat ein anderer zum „Wettstreit“ um den Begriff an: Richard Freiherr Krafft von Festenberg auf Frohnberg, besser bekannt als Richard von Krafft-Ebing. Der forensische Psychiater gab sich alle Mühe, das Phänomen des lustvollen Schmerzes zu beschreiben. Vor allem aber wollte er seiner Aversion gegen den österreichischen Autor Leopold Ritter von Sacher-Masoch Ausdruck verleihen – und so nannte er das Phänomen der Schmerlust schlicht „Masochismus“. Den Gedanken der Zeit folgend, musst es zu jedem psychologischen Phänomen einen Gegenpol geben, den Sadismus, der bereits nach dem Marquis de Sade benannt wurde. Währen der weiteren Forschungen glaubte man sogar, beide Pole in einer Person erkannt zu haben, und schuf den Begriff „Sadomasochismus“, den heute jeder Schüler als „Sadomaso“ kennt.
Der Streit um Worte und das „Unanständige“ am Thema verhinderte eine sachliche Diskussion darüber, was „Sado“ einerseits und „Maso“ andererseits ist, und wie beide die Lust oder Leidenschaft beeinflussen. Zudem fragte man sich, ob es sich um Liebe, Lust oder gar Wollust handelte, sodass jeder dieses Phänomen interpretieren konnte, wie er wollte. So galten manche Frauen lange Zeit als „masochistisch“, obwohl sie sich eher der Gewalt beugten, während manche Männer als „Sadisten“ gebrandmarkt wurden. Dabei war die Wollust, die unterwürfige Männer durch Rute, Rohrstock und Peitsche gewinnen wollten, längst bekannt. Einige der Halbweltdamen, die dergleichen praktizierten, waren bereits Rotlicht-Berühmtheiten, und zu ihren Kunden gehörte ein Großteil der betuchten männlichen Gesellschaft im „Vereinigten Königreich“.
Wie so viele Begriffe aus der der Psychologie, der Psychoanalyse oder der Psychiatrie, ist auch dieser Begriff über die „Bildungsbürgersprache“ in den Volksmund eingegangen. Und wie so oft, wurde er damit nicht klarer, sondern noch unschärfer.
Aus heutiger Sicht lässt sich zumindest so viel sagen: Es gibt wesentlich mehr Menschen, die heimlich oder auch offen Freude an der „Unterwerfung“ haben, als Menschen, die aus Lust schlagen (Sadisten/Sadistinnen).
Und was die Wollust betrifft: Selbst der Herr Krafft-Ebing war sich voll bewusst, dass die Flagellation auch interessante körperliche Effekte hat, denn er schrieb:
„Nun ist aber die passive Flagellation ein Vorgang, welcher bekanntlich geeignet ist, durch mechanische Reizungen der Gesäßnerven reflektorisch Erektionen auszulösen“. Und diese „passive Flagellation“, sei eine „ungemein häufige“. Vor allem wenn sie, als „ersehnte Unterwerfung unter das Weib“ empfunden wird.
Zitat: Krafft-Ebing „Psychpathia Sexualis“, in meiner Ausgabe (Nachdruck 1984) auf Seite 111.